„Dialog auf Augenhöhe“ – Walk of peace in Münster.
Münster. „Wenn viele engagierte Menschen in einer Gruppe zusammenkommen, entsteht eine Kraft, die den Frieden fördert“, Julia Ruf weiß, wovon sie spricht. Die Freiburgerin ist Friedenstrainerin beim Netzwerk peace4future und bildet gemeinsam mit ihrer Kollegin Elisabeth Abanda und mit dem KAB-Bildungswerk Münster junge Friedensmentor*innen in Münster aus. An einem Samstag im Herbst haben die KAB und peace4future zu einem „Walk of peace“ durch die Friedensstadt Münster eingeladen. „Beim Spaziergang verbinden wir historische Orte und Begegnungen mit lokalen Gruppen,“ erklärt Josef Mersch, Projektbegleiter der KAB, den vierzehn Teilnehmer*innen das Konzept des Stadtrundgangs. Sie träfen unterwegs Vertreter*innen von Gruppen, die sich für einen umfassenden, globalen und nachhaltigen Frieden einsetzen.
Gemeinwohlökonomie und entwicklungspolitische Arbeit vor Ort
Die erste Station liegt hinterm Bahnhof – es ist das Kettelerhaus der Bischof-Hermann-Stiftung, die sich vorrangig um obdachlose und sozial benachteiligte Menschen kümmert. Hier treffen die Teilnehmer*innen Sabine Berkelmann von der Gruppe Gemeinwohlökonomie GWÖ, die das Modell „alternativ wirtschaften“ vorstellt. Ziel der Gemeinwohlökonomie ist „gutes Leben für alle Menschen“, sagt Berkelmann. Menschenwürde, ökologische und soziale Nachhaltigkeit seien Maßstäbe, an denen Unternehmen, Kirchen und Behörden ihr Tun ausrichten müssten.
In der Achtermannstraße treffen die Spaziergänger*innen Vanessa Krüger vom entwicklungspolitischen Vereins Vamos e.V. Sie erzählt von Filmtagen wie „Klappe auf für Menschenrechte“ in Münster und von Mitmachstationen in den Kreisen Coesfeld und Warendorf. Die Stationen hat Vamos mit freiwillig Engagierten aufgestellt. Leitfrage des münsterlandweiten Projektes sei: Wer übernimmt lokal globale Verantwortung und wird so zu einem Akteur für eine gerechtere und nachhaltigere und damit friedlichere Welt?
Botschaft aus israelischem Friedensdorf bei der Synagoge
Vor der Synagoge in Münster stehen Polizeiwagen. Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel ist der Schutz jüdischer Einrichtungen in Deutschland verstärkt worden. Stefanie Pfennig, Projektbegleiterin der KAB, überbringt eine Botschaft vom 7. Oktober 2023 aus dem in der Mitte Israels gelegenen Friedensdorf Neve Shalom – Wahat al Salam, in dem seit über 50 Jahren Menschen jüdischen, christlichen und muslimischen Glaubens gemeinsam leben und für Frieden und Toleranz eintreten. Trotz ihrer großen Angst, so schreiben die Bewohner*innen, seien sie fest entschlossen, weiterhin für einen gerechten Frieden einzutreten. Mit einer Schweigeminute gedenkt die Gruppe den unschuldigen Opfern des Terrors und Krieges weltweit.
Noah-Friede und Dialog auf Augenhöhe
Berfin Baltaci vom Institut für Theologische Zoologie rückt einen neuen Aspekt des Friedens in den Mittelpunkt, nämlich den des Friedens, der den Menschen und seine ganze Mitwelt umfasst. “Frieden kann nur gelingen“, sagt sie, „wenn wir uns von einem Weltbild verabschieden, das den Menschen allein in den Mittelpunkt stellt.“ Ein „Noah-Frieden“ sei als Leitbild geeignet – für alle Anstrengungen des Artenschutzes und für das Bild der Gemeinschaft von Mensch und Tier.
Das Rathaus Münster mit dem Friedenssaal ist die nächste Station. Der zwischen Münster und Osnabrück errungene Friedenschluss von 1648 ist eine historische Bezugsgröße. „Dass dieser Friede zustande gekommen ist, ist auf Diplomatie und Dialogbereitschaft zurückzuführen“, sagt Josef Mersch. Der „Dialog auf Augenhöhe“, so Mersch, sei eine Form Frieden zu schaffen, die in den letzten Jahren aus dem Blick geraten sei. Doch genau deshalb habe man die Friedensstadt Münster als Ort der Friedensmentor*innen-Ausbildung ausgesucht, so Mersch weiter.
„Wir brauchen eine widerstandsfähige Demokratie“
Am Domplatz endet der Walk of Peace. Dort befindet sich im Dreieck von Dom, Universität Münster und LWL-Museum der am Boden eingelassene Gedenkstein an die Bücherverbrennungen während des nationalsozialistischen Regimes. 1933 wurden an 22 Universitäten in Deutschland sogenannte Schandpfähle errichtet, erklärt Dr. Michaela Kipp vom Gedenkort Villa ten Hompel. Am „Schandpfahl" in Münster hefteten Studenten*innen Buchdeckel und Bücher unerwünschter Autoren*innen exemplarisch an. Am 10. Mai 1933 initiierten nationalsozialistische Studenten*innen die öffentliche Bücherverbrennung auf dem früheren Hindenburgplatz (heute Schlossplatz).
Wir brauchen mehr denn je eine widerstandsfähige Demokratie, sagt Josef Mersch und zeigt auf die Bodentafel. Eine, die heutigen, demokratiefeindlichen Brandstiftern und Bandstifterinnen den Nährboden entzieht. Deshalb bilden KAB und peace4future Friedensmentor*innen aus … und sie ist in dieser Gruppe spürbar, „diese Kraft, die Frieden fördert“, wie Julia Ruf es formuliert.
Text/Foto: Heike Honauer, KAB
09.11.2023