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KAB Diözesanverband Münster

Annette Seier

Annette Seier, Pädagogin und stellvertretende Geschäftsführerin im KönzgenHaus

Haltern am See. 25 Jahre – das ist ein Vierteljahrhundert. Genauso lange arbeitet die gelernte Theologin und Pädagogin Annette Seier in der Bildungsstätte KönzgenHaus in Haltern am See. „Als ich 1995 angefangen habe, war ich in fast allen Kursen die Jüngste“, schmunzelt die heute 54-Jährige.Vieles habe sich in diesen 25 Jahren verändert.

Bildungsarbeit im Dialog.

„Heute erarbeiten Seminarleitung und Teilnehmer*innen die Themen gemeinsam, in einem dialogischen Prozess.“ Will heißen? „Die meisten Themen sind hochkomplex. Die Teilnehmer*innen bestimmen mit, welche Aspekte vertieft, diskutiert oder weitergeführt werden“, beschreibt sie. Die Herausforderung als Kursleitung bestehe darin, die Inhalte mit den Fragen und Erfahrungen der Lernenden so zu verknüpfen, dass die Bedeutung im eigenen Leben sichtbar werde.

Seit einigen Jahren ist Annette Seier stellvertretende Geschäftsführerin des Hauses. Organisation und Planung der Bildungsarbeit nehmen einen großen Teil ihrer Zeit in Anspruch. „Aber pädagogische Mitarbeiterin bin ich immer noch. Gott sei Dank.“ lacht sie. Sie mag das – den Kontakt mit den Gästen im Haus, den Moment, wenn Teilnehmer*innen bemerken, welche Gestaltungskraft sie haben, wenn durch ihre Kurse „ein Stück Gerechtigkeit wächst“, sagt Seier und zitiert den roten Faden, der sich durch die ganze Bildungsarbeit des KönzgenHauses zieht.

Fragt man sie, wofür ihr Herz besonders schlägt, antwortet sie ohne lange nach zu denken mit einem Dreisatz: „Für alleinerziehende Familien – für das garantierte Grundeinkommen – für gleichberechtigte Teilhabe und Teilnahme aller an der Gesellschaft.“

„Soziale Schieflagen verändern“

Was sich wie ein kurzgefasstes Parteiprogramm liest, passt zu dem, was sie damals, 1995, in ihre Bewerbung geschrieben hatte: „Soziale Schieflagen sind zu verändern!“ Dafür arbeitet sie in der politischen Bildung. Dafür nimmt das KAB-Mitglied Seier lange Fahrten zu Sitzungen in Berlin oder Frankfurt in Kauf, wird stellvertretende Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Arbeitnehmer-Organisationen (ACA) und arbeitet am „Runden Tisch Familie“ vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und der deutschen Bischofskonferenz. Dafür steht sie an einem kalten Frühjahrstag mit Protestplakaten gegen unwürdige Unterbringung von Geflüchteten vor einem Wohnheim.

Ihr inhaltliches Steckenpferd, so Seier selbst, ist die Familienpolitik und Familienbildung. Es freut sie, dass „wir heute gesellschaftlich ein deutlich erweitertes Familienbild haben.“ Gleichwohl schaut sie streng auf das, was sich in den letzten Jahrzehnten wenig verändert hat: „Familien und Frauen sind in unserer Gesellschaft nach wie vor benachteiligt. Die Spaltung zwischen arm und reich schreitet auch in Deutschland immer weiter voran.“

Noch immer fassungslos macht sie, dass Menschen und Kulturen als „fremd“ oder „anders“ ausgegrenzt werden statt sie als Bereicherung für die Gesellschaft zu schätzen. Anfang der 90er Jahre war Annette Seier, damals noch Studentin, zum ersten Mal Referentin eines Seminars im KönzgenHaus. Der Titel: „Fremde unter uns“. Sie schüttelt den Kopf, wenn sie daran denkt. Es sei einfach erschreckend, wie aktuell die Vorbehalte noch immer seien. Auch deshalb ist sie froh, dass Kurse für Geflüchtete und Ehrenamtliche in der Arbeit mit Geflohenen heute selbstverständlich zum Jahresprogramm des KönzgenHauses zählen.

„Die Kapelle ist einer meiner Ecksteine.“

Wenn Gäste das KönzgenHaus betreten, sehen sie zunächst die große Eingangshalle und die schwarze Rezeption mit der LED-Tafel, auf der alle Kurse des Hauses aufgelistet sind. Wendet man sich nach rechts in den Gang sieht man die meist geöffnete Tür, die zur Hauskapelle führt. An der Außenwand ist „Löschet den Geist nicht aus“ zu lesen – innen empfängt einen die wohltuende, helle Ruhe des minimalistisch möblierten Raumes. „Die Kapelle ist einer meiner Ecksteine im Haus“, verrät Annette Seier. Sie sage ihr: „Du kannst nicht Gefahr laufen, die Orientierung zu verlieren.“ Mit der christlichen Soziallehre, die von Solidarität und Zutrauen zum Menschen selbst spricht, und einem Verband wie die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) im Gepäck gingen sich manche Wege zu mehr Gerechtigkeit leichter, findet sie. Die KAB nennt das in ihrem Grundsatzprogramm „Gerechtigkeitshandeln ist Teil der Glaubensverkündigung“. Seier schätzt diesen Satz sehr. Auch seine Umkehrung – dass der Glaube an einen menschenfreundlichen Gott sichtbar und glaubwürdig wird, wenn Menschen sich für andere einsetzen.

„Wenn du Königin von Deutschland wärst ...“

Damit Gerechtigkeit wachsen kann, braucht man oft einen langen Atem, weiß Seier. Der jahrelange Kampf der KAB für die Rente für Erziehungstätigkeit oder den Mindestlohn habe das gezeigt. Was würde sie denn verfügen, wenn sie „Königin von Deutschland“ wäre? Auf die verführerische Märchen-Frage antwortet die bodenständige Westfälin mit Realpolitik: „Ich würde das garantierte Grundeinkommen für alle Bürger*innen einführen, den Mindestlohn ordentlich anheben und alle Einkommensarten außer Lohn- und Mehrwertsteuer stärker zur Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben heranziehen.“ Sie lässt den Satz nachklingen und lässt zwei Atemzüge später doch eine kleine Art „Vision“ folgen: „Außerdem würde ich verfügen, dass Eis essen nicht dick macht.“


Text: Heike Honauer
Foto: Maik Meid
26.11.2020

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