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KAB Diözesanverband Münster

Herausforderung in Pflege- und Krankenberufen.

Wie krank macht unser Gesundheitssystem?

Zwei Hände, 4 Stunden Schlaf, zwei Burnouts und 23 gecancelte Verabredungen – das klingt wie die Handlung eines Fernsehfilms, ist aber für Mitarbeitende in den Pflege- und Krankenberufen zu oft die alltägliche Herausforderung. Laut einer Studie sagen 98 % der Mediziner*innen und Pflegekräfte, dass sie Erschöpfungszustände und ein ausgebranntes Gefühl berufsbedingt kennen. 43 % der Pflegekräfte berichten, dass sie regelmäßig mehr als 40 Wochenstunden arbeiten.  

Vom Klatschen und Klatschen für die „Corona-Held*innen“ in den Pflege- und Krankenberufen
War es nicht befreiend, vor die Tür zu treten und zu klatschen? War es nicht schön, all denen zu danken, die ihre Gesundheit Tag für Tag für unsere Versorgung während der Pandemie aufs Spiel gesetzt haben?

Aber zum Glück gibt es ja Impfstoffe, genug Schutzkleidung und die Corona-Infektionszahlen sind rückläufig. Also zurück zur Tagesordnung. Zum Glück ist jetzt wieder alles beim Alten…

Ist jetzt auch alles für unsere Corona-Held*innen in den Pflege- und Krankenberufen gut? Um es vorwegzunehmen: „Nein! Bei weitem nicht.“

Wenn die Gesundheit anderer krank macht
Längst ist die Gesundheit und Pflege eine gewinnbringende Ware geworden. Gewinnbringend für Investoren, Aktionäre und Spekulanten.

1985 fiel das Gewinnverbot für Krankenhäuser und 2003 wurde die Fallpauschale eingeführt – also die Vergütung von medizinischen Leistungen nicht zeitraumbezogen sondern bezogen auf den jeweiligen Behandlungsfall, unabhängig von Art und Umfang der erbrachten Einzelleistung.

In Krankenhäusern, Pflegeheimen und auch bei ambulanten Diensten geht es nicht mehr nur um die Genesung und Pflege von Menschen. Es geht um Rendite und Gewinne. Gewinner ist, wer so viele Menschen wie möglich behandelt.
Wenn für alle Akteure die Infrastruktur, die Medikamente, die Geräte gleich viel kosten, dann kann nur an den Patient*innen und den Mitarbeitenden gespart werden. Dies äußert sich unter anderem im geringer werdenden Personalschlüssel bei höheren Belegungszahlen und den betrieblichen Rahmenbedingungen.

Ist der Fachkräftemangel schuld an den Bedingungen oder die Bedingungen Ursache des Fachkräftemangels?
Der Fachkräftemangel ist in aller Munde. Doch sagt es viel über die Bereiche aus, in denen die Menschen fehlen. Viele Berufe wurden schlecht geredet, jedoch liegt die Ursache häufig auch an den Strukturen.

Damit die Pflege- und Krankenberufe wieder ein gutes und positives Image erhalten, müssen viele den Mut haben, die Probleme zu benennen und anzugehen.

Gerade in der Pflegebranche ist der Organisationsgrad extrem gering, daher braucht es vor allem Solidarität von und mit den Pflegenden. Nur so kann die Politik bewegt werden, die Rahmenbedingungen zum Besseren zu verändern.  

30 % der Pflegeazubis brechen ihre Ausbildung frühzeitig ab. 43 % der Auszubildenden im Gesundheitssektor berichten, dass sie selten oder nie an ihre beruflichen Aufgaben herangeführt werden. Dies liegt unter anderem daran, dass die Ausbildenden neben ihrer Arbeit schlichtweg keine Zeit haben, die Azubis entsprechend zu begleiten.

Berufung statt Beruf oder vom Brennen zum Burnout
Sicherlich landen bei mir als Rechtsekretär meistens die Fälle, die konfliktbehaftet sind. Aber auch die Beratungen und Begegnungen mit Mitarbeitervertretungen zeigen eine klare Tendenz.
Die meisten Mitarbeitenden im Gesundheitssektor brennen für ihre Arbeit. Sie haben den Beruf ergriffen, um für Menschen da zu sein, sie zu begleiten, sie zu unterstützen und bestenfalls sie zu heilen.
Wir erleben häufig, dass bei der Sorge um die Anderen die Sorge um sich selbst zu kurz kommt. Viele verlassen sich auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, doch dieser kann und/oder will dieser Pflicht zu oft nicht nachkommen. Sei es aufgrund von Personalmangel, sei es aus Kostengründen… Im schlimmsten Fall stehen die Mitarbeitenden mit einer kaputten Gesundheit und dadurch ohne berufliche Perspektive da. Mit den Folgen werden die Mitarbeitenden in der Regel alleingelassen.
Status: Es ist kompliziert.

Aber wer trägt denn jetzt die Schuld?
Die Politik, die die Gesundheit zur Ware gemacht hat?
Die Arbeitgebenden, die alles auf Rendite und Gewinne ausrichten?
Die Mitarbeitenden, die sich zu wenig in Berufsverbänden und Gewerkschaften organisieren?
Wir als Gesellschaft, die diese Bedingungen hinnimmt?

Eine Antwort ist so einfach und doch so komplex, denn wir alle tragen unseren Teil dazu bei, dass unser Gesundheitssystem zu viele Mitarbeitende auf Dauer krankmacht.

Mehr Organisation und Interessensvertretung
Deshalb muss sich die Gesellschaft dafür stark machen und die Politik beeinflussen, dass sich etwas zum Positiven verändert.

Dies wird aber nur gelingen, wenn sich die Mitarbeitenden im Gesundheitsbereich organisieren und Mitglied in einer Gewerkschaft, einem Berufsverband, der KAB werden. Eigentlich sollte jeder Mitarbeitende sich organisieren. Sei es für sich und/oder für andere. Denn je höher der Organisationsgrad ist, umso stärker ist die Verhandlungsposition der Mitarbeitenden. Natürlich braucht es auch starke betriebliche Interessenvertretungen und starke Lobbypartner. Auch hier kann jeder einen Beitrag leisten. Je mehr Mitglieder KAB, Berufsverbände und Gewerkschaften haben, umso mehr Einfluss haben sie zum einen auf die Betriebe zum anderen auf die Politik.

Reformen im Gesundheitswesen
Aufgrund der gravierenden Missstände, den Fachkräftemangel und dem öffentlichen Druck handelt jetzt auch endlich die Politik. Es zeichnet sich eine Reform im Bereich der Krankenhäuser ab. Es geht auch darum, die Gesundheitsversorgung in der Fläche zu gewährleisten. Jedoch werden viele unterschiedliche Wege verfolgt. Während sich die einen dafür einsetzten, Krankenhäuser in der Fläche zu schließen und ambulante Angebote sowie zentralisiert Krankenhäuser als Zentren für bestimmte gesundheitliche Fachgebiete auszubauen, sehen die anderen das Ziel darin den Wettbewerb zu verringern und die Qualität der Versorgung auch in der Fläche zu verbessern.

Es gibt politische Bestrebungen gezielt Fachkräfte für bestimmte Branchen im Ausland anzuwerben, um somit kurzfristig den Personalmangel abzufedern. Dies wird aber nur langfristig erfolgsgekrönt sein, wenn auch zeitgleich die Arbeitsbedingungen sich so verbessern, dass die bestehende Belegschaft bleiben möchte und die neuen Arbeitskräfte eine langfristige Perspektive in der Kranken- und Altenpflege sehen.

Arbeitsbedingungen deutlich verbessern
Damit die Fachkräfte bleiben und neue Kräfte gewonnen werden können, braucht es eine Steigerung der Arbeitsqualität und der Arbeitszufriedenheit.
Hier geht es nur zweitrangig um mehr Gehalt.

Es braucht verlässliche Arbeitszeiten, die eine planbare Freizeit und somit ein geregeltes Privat-/Familienleben ermöglichen.

Es braucht ein gutes Arbeitsklima, damit man mit Freude zur Arbeit gehen, ohne permanenten Druck seiner Arbeit nachgehen und für die Zupflegenden da sein kann.

Es würde den Rahmen sprengen alle Forderungen und aktuellen Entwicklungen aufzuführen.
Am Ende muss eine Grundstruktur stehen, die ausreichend Personal, die benötigen Kapazitäten verbunden mit guten Arbeitsbedingungen aufweist, so dass die Pflege ein Bereich ist der weder die Mitarbeitenden noch die Zupflegenden krankmacht.
 
Aber eines ist gewiss: Es verändert sich viel. Damit die Veränderungen positiv sind, braucht es uns alle. Und positive Veränderungen der Arbeitsbedingungen in der Pflege können mittelfristig etwas verändern. Laut einer Studie können sich bis zu 300.000 ehemalige Mitarbeitende vorstellen, wieder zurück in die Pflegeberufe zu gehen, wenn sich die Strukturen zum Positiven verändern.

Es ist Zeit für ein besseres Arbeitsleben!

Quelle der genannten Studien: „Vier Gründe, warum der Pflexit droht – Pflegekräfte am Limit“ Frontal 21 Beitrag vom 13.12.2022 von Christine Matz und Maximilian Hübner

Text: Frederick Heidenreich, KAB-Rechtssekretär Münster.
10.02.2023

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