Haltern am See. Wochenlang auf Achse ohne Familie und Freunde, ein Leben zwischen Lenkrad und überfüllten Autobahnparkplätzen, Mahlzeiten vom Gaskocher und das alles für Monatslöhne zwischen 700 und 900 Euro, die mitunter unvollständig oder gar nicht ausgezahlt werden: Die Arbeitsbedingungen von prekär beschäftigten LKW-Fahrer*innen erinnern an moderne Sklaverei. Um ihren Arbeitsalltag und den ihrer Kollegen in der Paketbranche drehte sich jetzt eine Informations- und Diskussionsveranstaltung im KönzgenHaus in Haltern am See. Titel: „Auf den Straßen ist der Teufel los.“ Eingeladen hatte die Arbeitsgruppe „Würdige Arbeit“ mit dem Halterner Forum, der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB), dem DGB, dem Könzgenhaus und Vitus e.V., Moderator war Prof. Werner Nienhüser vom Halterner Forum.
In der Tat erleben nach den Schilderungen von Szabolcs Sepsi, Referent des DGB -Beratungsnetzwerkes „Faire Mobilität“, die bei Subunternehmen prekär beschäftigten und gewerkschaftlich nicht organisierten LKW-Fahrer*innen insbesondere aus Osteuropa, aber auch aus Ländern wie den Philippinen, „sklavenähnliche Zustände wie in der Hölle“. Von „unhaltbaren Arbeitsbedingungen“ sprach KAB-Diözesansekretär Hermann Hölscheidt.
Ruhezeiten werden ausgehebelt, es gibt keinen Zugang zu Gesundheitsdiensten, der gesetzlich verankerte Mindestlohn wird nicht gezahlt. „Wenn sich Betroffene wehren wollen, werden sie oft eingeschüchtert“, merkte Szabolcs Sepsi an. Er erinnerte an die LKW-Fahrer*innen die sich im vergangenen Jahr mit einem Hungerstreik auf der Raststätte Gräfenhausen in Hessen gegen einen besonders krassen Fall der Ausbeutung zur Wehr setzten und dabei von einem paramilitärischen Schlägertrupp bedroht wurden.
Wie lassen sich die Arbeitsbedingungen der Betroffenen verbessern? „Die KAB fordert schon seit Jahren, dass der Mindestlohn für alle gezahlt wird, die auf unseren Straßen unterwegs sind“, so Hermann Hölscheidt. Szabolcs Sepsi wies auf das DGB-Beratungsangebot „Faire Mobilität“ hin. An dreizehn Standorten (Raststätten) gibt es Hilfe und Unterstützung für prekär Beschäftigte, die kein Geld für Individualklagen haben.
Daneben geht es um ganz praktische Dinge: Freier Zugang zu Sanitäranlagen und Wasser etwa. „Das ist eine Frage der Menschenwürde und auch der Gesundheitsvorsorge“, so Hölscheidt. Mit der Aktion „Nikolaus im Fahrerhaus“ der KAB Münster und der Aktion des Halterner Netzwerks „Brückenbauen“ werden in der Weihnachtszeit Kontakte zu Fahrer*innen mit dem Ziel der Vernetzung geknüpft.
Neben dieser Arbeitnehmergruppe ging es im KönzgenHaus auch um Beschäftigte von Liefer- und Paketdiensten. Auch hier sind, mit Ausnahme von DHL, durchweg Subunternehmen tätig. Bis zu 250 Pakete am Tag bei einem zulässigen Paketgewicht von 30 Kilo ausliefern, das ist Schwerstarbeit zum Mindestlohn. Nur in einzelnen größeren Betrieben gebe es gewerkschaftlich Organisierte und teilweise einen Betriebsrat, so Sepsi. Der DGB-Referent und KAB-Diözesansekretär Hölscheidt waren sich einig: In dieser Branche gehören Subunternehmen verboten.
Text/Foto: pd
25.11.2025